Wer hätte noch vor einigen Wochen gedacht, dass die gewohnte Normalität heute so weit entfernt ist und Dinge welche wir als selbstverständlich betrachtet haben heute etwas Besonderes sind oder wir schmerzlich vermissen. Die letzten Wochen waren für uns alle sicherlich sehr lehrreich, auch ich habe reflektiert, beobachtet und meine Erkenntnisse zusammengefasst.
- Wenn Routinen fehlen….
Ja, wir vermissen das operative Tagesgeschäft, geliebte Routinen über welche wir uns „früher“ oft aufregten und als langweilig empfanden, fehlen nun schmerzlich. Das Wochenmeeting mit dem Team, der geregelte Ablauf, Tagesgeschäft eben. Vor einige Wochen habe ich bei Geschäftsreisen und Hotelaufenthalte nicht wirklich gejubelt vor Glück. Heute freue ich mich auf meinen ersten Außer-Haus-Auftrag und meine Fahrer scharren mit den Füßen, dass sie das erste Rennen fahren dürfen. Das Gefühl ist wie das erste Essen nach einer Fastenwoche…..:-).
- Suche nach dem großen Wurf…
In vielen Gesprächen war mein Umfeld auf der Suche nach dem großen Wurf zur „Neutralisation des Bösen“ und sie suchen immer noch… Wir haben in den letzen Wochen keinen große Wurf gelandet, aber viele Punkte gemacht. Nein wir konnten weder die Einbußen auffangen noch sind wir reich geworden. Aber wir habe einiges erreicht und viele meiner Kollegen aus der Gastronomie und Handel zeigen, dass auch sie „Macher“ sind. Wie heißt es so schön: „Machen ist wie wollen nur krasser“ – #nevergiveup
- In der Krise zeigt sich das Ergebnis Deiner Führung
Im Oktober 2017 mussten wir unser lebensfrohes Bischofschloss in Markdorf leider verlassen. Die meisten Mitarbeiter blieben bis zum letzten Tag und teilweise kamen auch Mitarbeiter kurz vor der Betriebsschließung aus anderen Anstellungen zurück und sagten, dass sie und beistehen und zurückgeben wollen, was sie von uns erhalten haben Wertschätzung – Respekt und Menschlichkeit. Was ich damals gelernt habe, konnte ich auch in den letzten Wochen beobachten. In der Krise zeigt sich das Ergebnis Deiner Führung.
- Reflektion…wir haben uns besser kennengelernt….
Ich bin mir sicher, dass ich in den letzten Wochen nicht nur mich, sondern auch mein Umfeld, die Mitarbeiter und unser Unternehmen neu kennengelernt habe. Ich habe erfahren, was ich, unser Unternehmen und jeder Einzelne als erstes vermisst, wie wir unter „ungünstigen Bedingungen“ funktionieren und wie schnell wir uns anpassen können. Es war auch gut zu erkennen wie unterschiedlich jeder mit der neuen, ungewohnten Situation umging. Es war Aufbruchstimmung zu spüren aber auch geistiger „lockdown“ – operative Hektik traf auf Lethargie und Untergangsstimmung. Proaktives Verhalten auf Verdrängung und Vermeidungsstrategie. Es war alles dabei, auf engstem Raum, in einem Team.
- Sicherheit – wo bist Du?
Die geliebte Sicherheit um Arbeitsplatz, Finanzen, Gesundheit, Zukunft.. sie ist nicht mehr da. Wir waren uns so sicher, dass es so weiter geht, ein Krieg war nicht wirklich zu befürchten, die Auswirkungen des Brexit ließen uns maximal mit den Schultern zucken, das Thema Klimakatastrophe ist gefühlt auf dem Weg der Besserung und die Flüchtlingswelle flachte ab… Wie sieht diese Sicherheit heute aus? Für mich ist eines sicher, es wird nicht mehr sein wie vorher, aber ich gehe davon aus, dass es sogar besser sein wird. Ein Grundsatz von mir, wenn ich nicht weiß wie es wird, dann bin ich mir sicher, dass es „gut“ sein wird.
- Wer sich am schnellsten anpasst, wird am besten aus der Krise hervorkommen.
Am 15.03.2020 starteten wir die Offensive „neue Normalität“. Mein Radteam Centurion-Vaude begann Online-Trainings anzubieten und veröffentlichte Termine für die ersten virtuellen Rennen, wir hatten noch wenig Erfahrung damit, doch wir lernten schnell, den wir mussten. Die Task-Force „CV-Virtuell“ wurde gegründet. Nach Absage der Olympischen Spiele, der internationalen und Deutschen Meisterschaften mussten wir neue Ziele definieren, denn die bisherige Masterplanung des Jahres konnten wir Ad acta legen. Das Ziel hieß aber nicht wir müssen irgendwie durchkommen, sondern waren sportlicher. Nach der Krise bekannter sein als zuvor, unseren Kooperationspartner zu beweisen, dass wir auch in ungünstigen Bedingungen wertvolle Partner sind, Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz bieten und uns Fit für die Zukunft zu machen und vorbereitet zu sein auf das was kommt. Aus diesem Grund erarbeiteten wir unterschiedliche Szenarien.
- Lessons learned…… Rücklagen sind gar nicht so dumm
Ich komme aus einem schwäbischen Familienunternehmen, welches geprägt war von christlichen Werten und kaufmännischen Grundlagen, hierzu gehörte auch das Thema Rücklagen. Mein Vater brachte mir bei, immer so viel auf der Kante zu haben und die Kosten so gut als möglich schnell anpassen zu können, dass Du in schlechten Zeiten nicht der Erste bist, der nicht mehr kann. Schlechte Zeiten stand in der Generation meiner Eltern für Krieg und Verwüstung, aber doch nicht für einen „Virus“.. so ändern sich die Zeiten.
- Die neue Bescheidenheit ….
Frischhefe wurde zum neuen „Gold“, die Waldwege in der Umgebung neu entdeckt, die schönen Blumenwiesen bewusst wahrgenommen und jede Minute „draußen“ mehr wertgeschätzt als früher. Die Reiseplanung des Jahres verblasste und statt 3 x in die Welt hinaus, ist der Wunsch nun einige Tage irgendwo hin. Diese neue Bescheidenheit liegt mir übrigens sehr, ich genieße es, dass es nicht um höher, weiter, schneller geht sondern wieder mehr um Sicherheit und die Erkenntnis, dass nichts selbstverständlich ist.
- Der Einkaufstag…und die Auswirkungen
Die gute alte Wochen-Einkaufsliste erlebt genauso ihre Renaissance wie der Siegeszug des Online-Shoppings anhält. Das gewohnte „ich gehe noch schnell in den Laden was einkaufen verstummte“, der Bedarf wird akribisch mit der Essensplanung abgestimmt. Das Auto bleibt hierdurch öfters stehen und der eine oder andere bemerkt nun, wie häufig der so beliebte fahrbare Untersatz zum Ausstellungsstück in der Garage verkommt….
- Solidargemeinschaft… Die gegenseitige Unterstützung
Einer der für mich schönsten Effekte ist die Wiederentdeckung der Solidargemeinschaft, ob Unterstützung der gebeutelten Gastronomie durch Inanspruchnahme der Cateringangebote, Supermärkte nehmen verstärkt regionale Produkte mit auf, Radrennfahrer werden zum Pizza-kurier, Lieferanten gewähren verlängertes Zahlungsziel, die Gema verzichtet auf Beiträge, der Staat unterstützt und die Fußballer bieten einen Einkaufsservice für Senioren. All dies lässt uns wieder ein Stück näher zusammenrücken… Lasst uns dies beibehalten und Teil der neuen Normalität werden.
- Interaktion ist gefragt….das werden wir beibehalten
Bei unseren virtuellen Trainingseinheiten nutzen wir zur Kommunikation „DISCORD“, ein Programm aus der Gamer-Szene, welches es uns ermöglicht in großen Gruppen zu kommunizieren. Auch nach den Ausgangsbeschränkungen werden wir als dezentrales Team uns wöchentlich zum virtuellen Training treffen und die Zeit für Gespräche nutzen. Wir haben das Telefonieren wieder entdeckt und auch der Griff zum Festnetz ist häufiger zu bemerken. Der Plausch mit den Kunden ist ausgiebiger und irgendwie freuen sich die Menschen gefühlt mehr als zuvor, wenn man mit ihnen in Kontakt tritt…. Nicht immer, aber immer öfters. Ich habe auch das Gefühl, dass ein DANKE wieder häufiger verwendet wird und das ist gut so…..P.S. auch dies sollten wir versuchen beizubehalten…
- Führung 2020….
„Muss ich mich denn um jeden Einzelnen kümmern?“ wurde ich von einem Unternehmerkollegen gefragt. Ja, das ist m.E. unser Job als Führungskraft, nicht nur in Krisenzeiten, aber gerade jetzt immens wichtig. Es ist für mich wichtig mich den Sorgen und Ängsten der Mitarbeiter anzunehmen, Lösungen aufzuzeigen und zu signalisieren, dass wir klare Zukunftsszenarien und -strategien haben. Dabei jedoch auch verständlich machen, dass jeder seinen Teil dazu beitragen muss, dass wir diese Zukunft erreichen. Ja, ich bin ehrlich, wir haben die ersten Mitarbeiter bereits verabschiedet, welchen die Solidargemeinschaft unseres Unternehmens und des Teams nicht unterstützen. „Es ist in der Krise nicht entscheidend was der einzelne gerne macht, sondern was erforderlich ist um zu überleben“.
- Komfortzone verlassen……
„das mache ich nicht so gerne, oder Antworten das kann ich nicht“, stießen bei mir nach Ausbruch der Krise auf noch weniger Gegenliebe als vor Corona. Meine Antwort darauf war schnell gefunden… „Es ist derzeit nicht entscheidend, was der Einzelne gerne macht oder kann, sondern was erforderlich ist um das Überleben der Firma des Teams zu sichern“. Blöd dabei, dass es auch mich selber betraf. Meine Töchter gaben mir einen Schnellkursus in Sachen, Insta, Webex, Zoom, Discord etc. und ich musste mich daran gewöhnen meine Falten im eigenen Videobild zu betrachten und suchte vergebens nach der Filterfunktion…. 😊
- Agilität – nicht durch Einsicht sondern durch Leidensdruck….
Es hat sich wieder einmal bewahrheitet, Veränderungen beruhen zu 20% aus Einsicht und 80% Leidensdruck. Das Thema Digitalisierung, homeoffice, dezentrale Teams, Webkonferenzen etc. wurde schneller umgesetzt als jemals gedacht. Kritische Stimmen der „ja-Aber-Fraktion“ und Postulierer der guten alten Zeit verstummten, jetzt mussten wir und stellten fest, ja es geht. Sicherlich müssen wir noch nachjustieren und werden uns auch wieder auf Geschäftsreisen begeben, Kunden und Lieferanten persönlich treffen, Tagungen und Seminare abhalten, jedoch auch vermehrt digitale Alternativen nutzen.
- Das kommt gerade recht……
Ich habe bei mir festgestellt, dass die jetzige Situation mir auch teilweise entgegenkommt. Projekte an welche wir nicht wirklich glaubten, haben nun storniert bzw. abgesagt. Wir haben Expansionspläne und Strategien nochmals kritisch hinterfragt, teilweise bereinigt, und angepasst. Nichts ist so schlecht, dass es nicht wieder für etwas gut ist. P.S. Wir waren auch froh, dass wir einige Projekte in der Vergangenheit nicht bekommen haben ;-).
Fortsetzung folgt…..
Welches waren Deine / Ihre Erkenntnisse aus den letzten Wochen? Ich freue mich über einen Austausch – Kommentar und Meinungen…
Lieber Bernd,
deine Vorgehensweise und Gedanken sind begeisternd. Meine Erfahrungen teile ich gerne: Ich glaube wir lernen gerade Dinge los zulassen, die uns vor Wochen noch so wichtig waren. Plötzlich haben sie ihre Dringlichkeit verloren. Man hat das Gefühl, wir entschleunigen in einigen Bereichen und fokussieren uns besser auf das wirklich Wesentliche. Die Wertschätzung nimmt zu – siehe unsere Alltagshelden endlich bekommen diese Berufsgruppen ihre lang verdiente Wertschätzung!
Zum Thema Führung: In meinem Team und Umfeld gibt es viele Menschen, die wirklich Angst haben und verunsichert sind. Daher sehe ich meine Rolle – noch mehr als früher – darin, alle noch besser zu begleiten, sie in Gesprächen abholen. Wir sind in unserer Abteilung in täglichen kurzen Telkos und wir priorisieren ständig unsere Jobs neu. Die Kollegen, die lieber von zuhause arbeiten und sich dort sicherer fühlen – die lassen wir auch dort. Die Arbeitsqualität leidet darunter keinesfalls uns sie sind nach eigenen Aussagen sogar noch effizienter, weil weniger Meetings:):)
Danke für deine wertvollen Tipps, du bist in unserer Kommunikation immer ein guter und gern gesehener Ratgeber und in Corona-Zeiteneben per Webex-Meetings oder an virtuellen Round-Tables.
Lieber Bernd,
du hast es auf den Punkt getroffen und ich finde mich in Vielem, was du schreibst wieder!
Auch ich habe als Referentin und Seminar-und Workshop-Aktive diese verschiedenen Gemütslagen erlebt in diesen Tagen…
Fragen, wie geht es weiter und was geht in Zukunft noch vom Bisherigen…
Dieser Lockdown hat bei mir alles neu sortiert und ich bin jetzt ein paar Dinge los, die ich gar nicht mehr so gerne machen wollte, aber zuverlässig wie ich erzogen bin, nicht absagen wollte…
So ist Platz für Neues, was sich bereits jetzt gerade entwickelt und ich bin gespannt…
Mir gefällt diese neue Achtsamkeit sehr und ich für mich möchte das Bisherige nicht wieder zurück…
Es ist viel Arbeit und Lernen mit den neuen Gegebenheiten zurecht zu kommen, aber es wird auch wieder richtig spannend!
Ich bin ein Mensch, der Menschen braucht und liebt und ich freue mich unendlich, wenn ich wieder alle die ich mag und sehr vermisse in „echt“ und live sehen und treffen darf 😍
Alles Liebe Dir, Bernd
🙋♀️Rosmarie & die Leidenschaft für gutes Essen
Lieber Bernd.
Danke für diese guten Zeilen, in denen auch ich mich größtenteils wiederfinde und die sich mit vielen Erkenntnissen meinerseits decken. Zwei Dinge sind mir besonders aufgefallen: aus der oberflächlichen Floskel „wie geht’s Dir?“ wurde ein neuer, echt-interessierter, empathischer Auftakt fast jedes Gesprächs oder Schriftstücks. Gesund zu sein in diesen Zeiten wird neu als wertvolles Gut erkannt. So zumindest erlebe ich es sowohl als Fragende wie auch als Befragte.
Und das zweite: aus der Not heraus kann tatsächlich wunderbares entstehen: mehr als zwei Jahre lag mein „Bike-Projekt“ brach und jetzt, innerhalb von zwei Tagen, wurde aus einer Idee ein neues Bike-Projekt „Spezial“, welches sich inzwischen schon in der zweiten Auflage mit je 40 Teilnehmern befindet. Das Beste daran: es macht nicht nur den Teilnehmern und mir Freude, sondern wir können mit einer beachtlichen Summe, existenziell Bedürftigen ganz konkret helfen. Win-win-Win-Situation sozusagen.
Noch ein Letztes: danke für Deine Energie und Dein positives „Daherkommen“ – das ist sicher nicht nur für mich ein Vorbild, sondern gut vielen sicher einfach gut! In diesem Sinne: bleib Dir treu und gesund!